Während eines Besuchs bei meinen Eltern erwähnte meine Mutter beiläufig, dass ihr kürzlich beim Aufräumen das Messer in die Hände gefallen sei, das früher meinem Großvater (1902-1991) gehört hatte. Natürlich wollte ich es sofort in Augenschein nehmen, verbinden sich doch für mich mit dem Messer sehr viele Kindheitserinnerungen.
Mein Großvater hat – wie wahrscheinlich sehr viele Männer seiner Generation – immer ein Taschenmesser bei sich getragen, wenn er die Wohnung verließ. In meiner Erinnerung trug er es insbesondere dann, wenn er mit mir im Wald spazieren ging. Er schnitt Spazierstöcke oder andere Stöcke, aus denen er mir Pfeil und Bogen oder das Grundgestell für einen Drachen bastelte.
Das Messer, das mir meine Mutter gab, war in einem guten Zustand. Mein Großvater hatte es nach jedem Gebrauch gereinigt und wieder in die kleine Pappschachtel gelegt, in die das Messer ursprünglich verpackt war. Ich weiß nicht, wann er es zum letzten Mal benutzt hat, jedenfalls brauchte ich nur ein wenig Schmutz und den oberflächlich anhaftenden Rost zu entfernen. Außerdem habe ich die Messingbacken etwas poliert und die beiden Klingen geschärft.
Einige der Fotos, die hier in der Bildergalerie zu sehen sind, habe ich auf messerforum.net veröffentlicht und die Forumsmitglieder um Mithilfe bei der genaueren Bestimmung des Messers gebeten. Gleichzeitig habe ich den Link zu den Fotos an die Firma Richartz in Solingen geschickt und dort nachgefragt, ob man mir etwas Genaueres zu dem Modell und dem Herstellungszeitraum sagen könne. Dass das Messer von Richartz produziert worden war, hatte ich bereits vorher anhand des Logos – ein aufgetauchter Wal mit Fontäne – selbst herausgefunden.
Ein Mitarbeiter der Firma Richartz meldete sich zwei Tage später und teilte mir mit, dass das Messer in den 1970er Jahren hergestellt worden sei und aus der “Burgund”-Serie stamme. Den ursprünglichen Verkaufspreis konnte man bei Richartz nicht mehr ermitteln. Im Messerforum hatte man mich inzwischen auf das traditionelle Winzermesser “Alsacien” (auch “Massu” genannt) hingewiesen, das offensichtlich die Vorlage für die Bauform abgegeben hat. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass ich dem Erinnerungsstück nun auch noch ein paar historische Fakten zuordnen konnte.
Update vom 14.11.2010
Zwei Wochen später bekam ich jedoch von einem Forumsmitglied die Information, dass das Messer keineswegs aus den 1970er Jahren stammen könne, weil es als Neuheit in einem Richartz-Katalog von 1985/86 angekündigt worden sei. Dankenswerterweise hat mir dieses Forumsmitglied Scans des Katalogmaterials geschickt, die ich hier ans Ende der Bildergalerie gestellt habe.
Demnach gehörte das Messer meines Großvaters zu einer Art Retro-Serie mit dem Titel “Anno 1900″ und trug die Artikelnummer 6046 47. Beworben wurde das Messer auf der Katalogseite mit dem Text: “Bewährte Modelle im Stil der Jahrhundertwende: Echt-Messingbacken, neuartige Brasil-Schalen, rostfreie Klingen”. Die “Brasil” getauften Schalen sind schlicht aus Plastik und haben eine Holzmaseroptik.
Die neue Datierung des Messers bedeutet, dass es nicht das Messer sein kann, das ich aus meiner Kindheit in Erinnerung habe, da es sehr viel später angeschafft wurde! Nichtsdestotrotz bleibt es für mich ein Gegenstand mit hohem Erinnerungswert.































